Pressestimmen zur Premiere „My Fair Lady“
Nach fast 30 Jahren steht das Musical „My Fair Lady“ wieder auf dem Spielplan. Die Stars des Ensembles der Gandersheimer Domfestspiele brillieren: Eliza Doolittle ist eine Straßenverkäuferin aus der Londoner Arbeiterschicht. Sie trifft einen Sprachprofessor, der sie durch eine ordentliche Ausbildung in eine kultivierte Lady verwandeln möchte. Doch als das bescheidene Blumenmädchen zum Stolz der Elite Londons erblüht, muss auch ihr Lehrer die eine oder andere Lektion lernen.
Das schreibt Michael Schäfer im Göttinger Tageblatt (03.07.2023):
Die Schauspieler setzten in ihren Rollen klare Statements für Frauenrechte. (…) Mit Miriam Schwan ist Eliza Doolittle hervorragend besetzt. Sie gibt nicht nur dieser Figur unverwechselbare Konturen, sondern kann auch bis in die höchsten Lagen singen, was sie in einer Solokadenz – als Text lediglich die fünf Vokale – brillant vorführt. Von Anfang an zeichnet sie die Blumenverkäuferin als eine selbstbewusste junge Frau, die sich ihres Wertes durchaus bewusst ist und der Überheblichkeit von Professor Higgins immer auch etwas entgegenzusetzen hat. (…) Die Haushälterin Mrs. Pierce mit Dirk Hinzberg zu besetzen, ist eine glänzende Idee. Denn Hinzberg besitzt derart viel Bühnenpräsenz, dass er nur einmal schräg auf „seinen“ Professor hinabblicken muss, um das Publikum zum Lachen zu bringen. (…) Frederick Loewes Musik hat [Ferdinand von] Seebach auf eine kleine Jazzband reduziert, die operettenseligen Violinen getilgt und die Partitur rhythmisch geschärft, hier in Richtung Charleston, dort leicht swingend, dabei stets so, dass die vertrauten Melodien nicht entstellt werden. Eine gelungene Entstaubung, sehr frisch und lebendig gespielt.
Das schreibt Kirsten Ammermüller in der HNA (03.07.2023):
(…) Vielmehr wird auf die feine Zeichnung der Rollen gesetzt, die alle Darsteller mit den unterschiedlichsten Prägungen auszufüllen wissen. Da ist Eliza Doolittle, die Miriam Schwan sehr selbstbewusst, aber mit einnehmender Bodenständigkeit ohne Naivität verkörpert. „Nur en Zimmerchen irjendwo“, mehr braucht sie nicht. Für den Sprachforscher Professor Henry Higgins – überzeugend nerdig und schrullig von Guido Kleineidam gespielt – ist sie aber die „fleischgewordene Beleidigung der Muttersprache“. Geduldig-penetrant, sein Gegenüber in die Verzweiflung treibend, versucht er bei Eliza das „Ie“ in „Es grient so grien, wenn Spaniens Bliehten bliehen“ durch ein „Ü“ zu ersetzen. Frank Bahrenberg mimt den fürsorglich zugewandten Oberst Pickering und Dirk Hinzberg schlüpft in die Rolle der Mrs. Pearce, die er mit seinen beinahe zwei Metern Körpergröße überzeugend ausfüllt. Auch Sven Olaf Denkinger brilliert in der Rolle von Elizas Vater Alfred P. Doolittle. (…) Hervorzuheben ist die Musik. (…) Beliebte Songs wie „Ich hätt’ getanzt heut’ Nacht“, in dem Miriam Schwan die mühsam erlernten Vokale „ei“ und „au“ befreit im Scatgesang trällert und „Es grünt so grün“ wirken entstaubt, laden zum Mitwippen ein, bleiben aber den eingängigen Melodien von Loewe treu, verhaken sich im Ohr. (…) Wie war’s? Schwungvoll mitreißend, überzeugend inszeniert.
Das schreibt Claus-Ulrich Heinke in Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) online (04.07.2023):
Wie nach einer rasanten Verjüngungskur ging jetzt bei den 64. Gandersheimer Domfestspielen der Musical-Oldie „My fair Lady“ über die Bühne. Durch eine Bearbeitung für Jazzband verwandelt der musikalische Festival-Leiter Ferdinand von Seebach den operettenhaften Klang des Originals in einen cool groovenden Swing. Dabei bleiben alle Ohrwürmer des Stückes erhalten und es grünt nach wie vor grün, wenn Spaniens Blüten blühen. Regisseur Achim Lenz, zugleich Intendant der Festspiele, und Choreograf Dominik Müller geben der Inszenierung Tempo und Drive. Dabei vertrauen sie bei fast leerer Bühne vor allem auf die Darstellungskraft des kleinen, wandelbaren Ensembles. Und das ist in allen Rollen mit teilweise comicartig strukturierter Figurenführung so gut besetzt, dass der Abend zu einem großen Vergnügen wird. (…) Wie Musicaldarsteller Guido Kleineidam den Professor Higgins zum seelisch vernagelten, kauzigen, ständig unter Dampf stehenden und unverschämt aggressiven Wissenschaftsnerd macht, ist eine Nummer für sich. Große Komödienkunst, die zum Schluss unversehens zur Psychotragödie wird, wenn der Professor erkennt, dass sein verklemmtes Verhalten Eliza vertrieben hat.
Das schreibt Tina Fibiger in Gandersheimer Kreisblatt (04.07.2023):
Aber Ferdinand von Seebach hat sich in den Arrangements für seine Band nicht an die Operettentradition gehalten, sondern „My fair Lady“ mit Bläsersätzen in vielfarbigen Kontrasten aufgefrischt. Klarinette, Posaune, Trompete und Saxofon geben an diesem Abend den Ton an, auch gern in launigen rhythmischen Akzenten mit sanftem Bläsergroove erklingt „Ich hab‘ getanzt heut‘ Nacht“ und Miriam Schwans Stimme schwärmt in den höchsten Tönen, als ob sich jetzt ein happy end für den glücklich strahlenden Oberlehrer und seine sprachpädagogisch gelungene Schöpfung andeutet. Doch der herrische Hausherr, der jetzt nach den Pantoffeln ruft, muss sich eines Besseren belehren lassen. Diese Eliza lässt sich auch emotional nicht mehr drangsalieren und sich wie ein Besitzstand behandeln. In der Inszenierung von Achim Lenz erfolgt ihr Schlussstrich unter männliche und weibliche Rollenmuster und Kampfzonen unmittelbar nach einem wütenden Schlagabtausch und das auch ziemlich radikal. Auf der leeren Bühne vor dem Portrait mit dem wachsam skeptischen Blick krümmt sich eine einsame Gestalt, deren imposante, selbstherrliche Fassade jetzt in Trümmern liegt. Nach all den stürmischen Begegnungen mit den vielen komödiantischen Zwischentönen feiert das Publikum den Abend mit „My Fair Lady“ auch ohne Aussicht auf ein versöhnliches Schlussbild.
Das schreibt Petra Meyfarth in der Alfelder Zeitung (07.07.2023) über die Aufführung am 4. Juli:
„Kein Mann sollte je mit einer Frau so umgehen wie Professor Higgins mit Eliza.“ Ein klares Statement am Ende von „My Fair Lady“ bei den Gandersheimer Domfestspielen. Guido Kleineidam, der in dem Musical Professor Higgins spielt, richtet sich nach der Aufführung direkt ans Publikum und bittet um Spenden für das Northeimer Frauenhaus. Das hört sich jetzt erst mal nicht nach einem fröhlichen Musicalabend an. War es aber. Nach gut zwei Stunden professioneller musikalischer Unterhaltung gibt es begeisterten Applaus für eine humorvolle, hintergründige Inszenierung mit unvergesslichen Melodien. (…) Regisseur Achim Lenz, auch Intendant der Domfestspiele, bezieht sich nicht auf die populäre Verfilmung des Musicals von 1964 mit Audrey Hepburn in der Titelrolle, er inszeniert tiefgründiger. Denn im Grunde ist Higgins ein frauenverachtender Mann. Konsequenterweise lässt Lenz ihm am Ende allein und weinend auf der Bühne. Eliza kehrt nicht zu ihm zurück. (…) Lenz vertraut auf die Darstellungskraft seines Ensembles. Immer wieder gibt es Szenenapplaus und Lacher für pointierte Dialoge. (…) Guido Kleineidam balanciert wunderbar zwischen dem Wissenschaftler, der einem Blumenmädchen Etikette lehren möchte, und dem cholerischen alten Chauvi, der Eliza als sein Privatbesitz betrachtet. Auch er muss schließlich die ein oder andere Lektion lernen.
Schlussapplaus nach der Premiere von „My Fair Lady“. Foto: Gandersheimer Domfestspiele gGmbH / Frank Bertram