66. Spielzeit mit einem Festakt in der Stiftskirche eröffnet
Mit einem Festakt in der Stiftskirche ist die 66. Spielzeit der Gandersheimer Domfestspiele vom Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Prof. Joachim Schachtner, offiziell eröffnet worden. „Was wäre ein Sommer in Niedersachsen ohne die Gandersheimer Domfestspiele? Kaum vorstellbar! Seit nunmehr 66 Spielzeiten begeistern die Festspiele jedes Jahr tausende Besucherinnen und Besucher mit packendem Theater vor eindrucksvoller Kulisse. Möglich ist dies dank der engagierten Künstlerinnen und Künstlern, den mutigen Entscheidungen der Festivalleitung und des treuen Publikums. Mein Dank gilt allen, die diese Festspiele ermöglichen und sie zu einem Ort der Begegnung, der Inspiration und der künstlerischen Vielfalt machen.“ Der Staatssekretär würdigte die in der Region verankerten Gandersheimer Domfestspiele als ein Gemeinschaftserlebnis.
Aufsichtsratsvorsitzender Uwe Schwarz wünschte in seinen Eröffnungsworten „schönes, motivierendes, befreiendes, aber auch nachdenkliches und anregendes Theater“ vor der Stiftskirche. Das Motto dieser Spielzeit stehe „für Mut und Zuversicht, die Krise unserer Gesellschaft, den zunehmenden Hass und die Gefährdung unserer Demokratie durch mehr Solidarität und Gemeinsinn und auch mit den Mitteln von Kunst und Theater überwinden zu können“, sagte Schwarz. Er appellierte, sich an einem großartigen, lebensbejahenden Zitat der jungen Anne Frank zu orientieren: „Wie wunderbar ist es, dass niemand auch nur einen Augenblick warten muss, um die Welt zu verbessern“. Das sei ein „unglaublicher, ermutigender Satz“ der von den Nationalsozialisten im KZ Bergen-Belsen umgebrachten Anne Frank in ihrem Tagebuch.
„Wenn wir heute hier stehen, um gemeinsam den Sommer mit Theater zu füllen, dann tun wir das in einer Zeit, in der sich die Welt schneller zu drehen scheint – oder aus dem Gleichgewicht geraten ist“, sagte Intendant Achim Lenz zur Eröffnung. Es fühle sich an, mittendrin in einem Sommernachtstraum zu sein. „Aber nicht im verträumten, märchenhaften Sinne. Nein – in einem Traum, der kippt. In einen Albtraum.“ Was Shakespeare meisterhaft auf die Bühne bringe, sei heute bittere Realität, die Gegenwart sei durchzogen davon, über andere zu herrschen, von der Angst, sich selbst zu verlieren, von der Sehnsucht, etwas zu sein – um jeden Preis. Es gebe Menschen, Gruppen, Bewegungen, die diese Triebe gezielt ausnutzten. „Und plötzlich lieben wir, was uns zerstört. Folgen, was uns knechtet“, sagte Lenz. Rechtsextremes Gedankengut sei kein Schatten mehr am Rand – es stehe im Zentrum, trete in Talkshows auf, marschiere auf Straßen, wähle sich in Parlamente. Lenz: „Diese Ideologie bietet einfache Antworten – aber sie verachtet das Leben in seiner Vielfalt. Sie will Kontrolle – über Körper, über Geschlecht, über Denken. Sie ist die Antithese zur Kunst. Zur Freiheit. Zum Menschsein.“
„Wenn die Welt brennt, ist Schweigen keine Option“, sagte der Intendant in Anlehnung an Bertolt Brecht. „Es ist keine Option zu schweigen, wenn Menschen verachtet werden, weil sie anders lieben, anders glauben, anders aussehen. Es ist keine Option zu schweigen, wenn Hass salonfähig wird und Mitgefühl verlacht. Es ist keine Option zu schweigen, wenn Demokratie zur Verhandlungsmasse gemacht wird.“ Wo die Grenzen verschwimmen zwischen Realität und Lüge, zwischen Spiel und Ernst, zwischen Meinung und Hetze, brauchen die Gesellschaft Orte wie das Theater. Die fluiden Identitäten, die wechselnden Rollen, die Verwandlungen der Figuren bei Shakespeare erzählten von einer Welt, die nicht starr sei, die nicht in Schubladen denke. Lenz: „Eine genderfluide Gesellschaft ist kein Chaos. Sie ist eine Einladung, Vielfalt zu leben.“ Und wenn der Albtraum näher rücke – „dann schreien wir ihn an mit Kunst. Mit Wahrheit. Mit Haltung!“, sagte Lenz.
Zur Eröffnung spielte István Szarka „Trumpet Tune“ von Henry Purcell gemeinsam mit Michael Siskov am Flügel.
Aufsichtsratsvorsitzender Uwe Schwarz begrüßte die Gäste in der Stiftskirche zur Eröffnungsfeier.
Staatssekretär Prof. Joachim Schachtner eröffnete die 66. Spielzeit in der Stiftskirche offiziell.
Fotos: Frank Bertram / Gandersheimer Domfestspiele gGmbH
Intendant Achim Lenz begrüßte die Premierengäste von „Ein Sommernachtstraum“ auf der Tribüne vor der Stiftskirche.
Foto: Frank Bertram / Gandersheimer Domfestspiele gGmbH