Packende Neuinterpretation der Shakespeare-Komödie Ein Sommernachtstraum

Mit eigens komponierter Live-Musik von Ferdinand von Seebach, mit akrobatischen Einlagen und mit starkem physischen Schauspiel präsentiert das Ensemble der Gandersheimer Domfestspiele in diesem Sommer einen Klassiker der Weltliteratur: den „Sommernachtstraum“. Die Shakespeare-Komödie ist ab dem 20. Juni in einer packenden Neuinterpretation von Sarah Speiser vor der Stiftskirche zu erleben. Der von der aus der Schweiz stammenden Regisseurin inszenierte „Mord im Orient-Express“ war im vergangenen Jahr ein großer Erfolg beim Publikum. Jetzt also „Ein Sommernachtstraum“. Auf der Bühne zu sehen sind dabei viele bekannte Gesichter, unter anderem Dominik Müller, Tabea Scholz, Kevin Dickmann, Eva Paulina Loska und Emily Seubert.

Sarah Speisers Inszenierung des „Sommernachtstraum“ möchte mit den klassischen Geschlechterrollen spielen, verrät sie. Bei den Figuren der Liebenden werde bewusst Lysander mit einer Frau und Helena mit einem Mann besetzt. „Wir finden das spannender“, sagt Sarah Speiser zu der Entscheidung ihres Teams. Beispielsweise wenn ein Vater dagegen ist, dass seine Tochter eine Frau heiratet.  Oder bei der verzweifelten Hermia, die von Lysander als Frau eine Lösung präsentiert bekommt. „Ich möchte nicht immer nur die Männer als Helden haben“, macht Speiser deutlich. Lysander werde keine Hosenrolle sein, sondern als Frau erkennbar, was dem Publikum die Interpretation freigebe: Ist es ein Mann oder eine Frau? „Eigentlich spielt es keine Rolle“, sagt die Regisseurin, „denn es ist ein Mensch, der liebt, der heldenhaft seine Hermia retten möchte und für die gemeinsame Liebe kämpft, das ist das Wichtige.“

„Wenn ich ehrlich bin, war Lysander immer meine Lieblingsfigur im Sommernachtstraum“, freut sich Emily Seubert auf ihre diesjährige Rolle. Seit sie mit etwa 10 Jahren das erste Mal den „Sommernachtstraum“ gelesen und sich daraufhin viel mit Shakespeare und seiner Zeit beschäftigt habe, „bin ich Feuer und Flamme“, erzählt Emily Seubert, die vor einem Jahr als „Alice im Wunderland“ als Gräfin Andrenyi im „Mord im Orient-Express“ zu sehen war. Kevin Dickmann spielte damals den Michel und den Oberkellner im „Orient-Express“, in diesem Sommer im „Sommernachtstraum“ wird er Helena sein – „ein Rollenangebot, das man als männlicher Darsteller wohl nicht allzu oft bekommt“, freut sich Kevin Dickmann sehr auf die Auseinandersetzung mit dieser Figur und ist gespannt auf die Textfassung und die Übersetzung. „Shakespeares geniale Verse sind auf jeden Fall eine wunderbare Herausforderung – vom Auswendiglernen bis zur sprachlichen und szenischen Gestaltung auf der Bühne.“

Tabea Scholz spielt im „Sommernachtstraum“ die Hippolyta (Königin der Amazonen), welche kurz vor der Heirat mit Theseus (Herzog von Athen) steht, sowie die Rolle der Titania, als Königin der Elfen befindet sie sich in einem Ehestreit mit ihrem Mann Oberon, dem König der Elfen. Diese beiden Rollen werden von Dominik Müller verkörpert. Tabea Scholz, die den „Sommernachtstraum“ das erste Mal noch im Schultheater in Northeim (bei den „Zündhölzern“) gespielt hat, freut sich bereits darauf, die Ehestreitigkeiten mit Dominik Müller spielerisch in den Proben umzusetzen – bereits vergangenes Jahr auf der Fahrt im „Orient-Express“ habe man bei den Begegnungen als „Monsieur Bouc“ und „Helen Hubbard“ sehr viel Spaß miteinander auf der Bühne gehabt, sehr zur Freude des Publikums. Für Dominik Müller sind seine „Sommernacht“-Rollen Shakespeare-Debüts. „Und dann auch noch einen Elfenkönig verkörpern zu dürfen, finde ich ganz großartig“, erzählt der großgewachsene Akteur augenzwinkernd. „Elfen unterliegen da ja durch die Übernatürlichkeit zum Glück keinen Richtlinien.“ Dominik Müller ist gespannt, „inwiefern wir damit vielleicht auch Stereotypen brechen können oder einen Elfenkönig zeigen, wie man ihn sich vorstellt“. Müller schätzt die Zusammenarbeit mit Tabea Scholz – und auch mit Eva Paulina Loska. Die Berlinerin wird den Puck spielen. „Die bildgewaltige Sprache Shakespeares hat mich schon immer fasziniert, und die Figur des Puck hat für mich etwas sehr Aktuelles“, erzählt Eva Loska. Der Puck operiere für die anderen Figuren wie ein Katalysator ihrer Schwächen. „Er weiß genau was er zu tun hat, um mit ihren Emotionen und Wünschen zu spielen. Das finde ich gerade im Hinblick auf unsere jetzige gesellschaftliche und politische Situation spannend: die Verführbarkeit und Blindheit der Menschen aufzuzeigen. Ich bin sehr neugierig, in diese Form der Manipulation und in die Rolle des Unruhestifters einzutauchen.“

Die Bühnengesellschaft in Shakespeares Komödie besteht aus vier Gruppen: dem Herrscherpaar, den Liebenden, den Elfen und den Handwerkern. Und da ist dieser Wald, ein Ort der Grenzüberschreitungen, der Anarchie. An dem viel ausprobiert wird. An dem auch irgendwie alles ein wenig anders ist: Dort gibt es Elfenwesen, es geistern Tiere herum, Blumenduft macht die Menschen schläfrig und verliebt. Und ein paar Handwerker proben für ein Theaterstück. Dabei soll doch eine Doppel-Hochzeit gefeiert werden. Das Publikum ist dabei, wenn Titania und Oberon den Hofnarren Puck nicht mehr im Zaum halten können, wenn Menschen sich in Tiere verwandeln und die Liebe alle verrückt macht und durcheinanderbringt. Oder war am Ende alles nur ein Traum?

Sarah Speiser, Kevin Dickmann, Emily Seubert, Eva Paulina Loska, Dominik Müller und Tabea Scholz (v.l.).

Fotos: Julia Lormis (3), Elbshot, Silke Thelen